
Barrierefreiheit Website prüfen – Tools vs. Manuelle Tests
Barrierefreiheit Website Prüfen: Automatische Tools vs. Manuelle Tests im Vergleich
Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten
Key takeaways
- Automatische Tools liefern schnelle, kostengünstige Checks, decken aber nur ~30–50% der Probleme ab.
- Manuelle Tests finden kontextuelle und nutzerrelevante Barrieren (Screenreader, Tastatur, Inhalte) und sind für Rechtssicherheit notwendig.
- Kombination: Erst automatischer Schnelltest, dann manuelle Prüfung der kritischen Pfade und User-Tests.
- Rechtliche Bedeutung: Für BFSG/WCAG AA genügen automatische Tests allein nicht; Dokumentation und Nachbesserung sind Pflicht.
Warum die Prüfung der Barrierefreiheit jetzt Pflicht ist
Kurzfassung: Seit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist barrierefreie Gestaltung vieler Websites bis 2025 gesetzlich gefordert. WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind der internationale Standard und definieren konkrete Anforderungen — von Kontrastverhältnissen über Alternativtexte bis zur Tastaturnavigation.
Barrierefreiheit ist kein einmaliges Projekt: Jedes Update kann neue Barrieren schaffen. Deshalb brauchst du eine wiederkehrende Prüfstrategie, die zu deinem Workflow passt. Die Kombination aus automatischen Tools und manuellen Prüfungen hat sich in der Praxis bewährt: Tools finden die offensichtlichen Fehler schnell, manuelle Tests decken die subtilen Probleme auf, die echte Nutzer täglich frustrieren.
Automatische Checker: Schnelle Helfer mit klaren Grenzen
Wie automatische Tools arbeiten
WAVE, axe DevTools, Lighthouse oder Silktide scannen HTML-Code automatisiert: Fehlende Alt-Texte, Kontrastverhältnisse, Überschriftenstruktur und offensichtliche ARIA-Fehler. Die Browser-Integration (z. B. Lighthouse in Chrome DevTools) macht schnelle Checks direkt während der Entwicklung möglich.
Limitierungen
Automatische Checker erkennen nur maschinenlesbare Probleme. Sie prüfen nicht, ob Alt-Texte sinnvoll sind, ob die Lesereihenfolge stimmt, oder ob Fehlermeldungen für Nutzer aussagekräftig sind. Statistik: Automatische Tests decken bestenfalls 30–50% der WCAG-Kriterien ab.
Manuelle Prüfverfahren: Der Goldstandard für echte Barrierefreiheit
Prozess und Beispiele
Manuelle Audits prüfen Tastaturnavigation, Screenreader-Nutzung (NVDA, JAWS, VoiceOver), semantische Struktur (h1–h6, lists, tables) und Verständlichkeit der Inhalte. Ein Beispiel: Eine Seite kann in automatischen Tests Bestnoten haben und dennoch für Screenreader-Nutzer unbrauchbar sein — etwa wenn Tabellen keine th-Elemente haben oder die Tab-Reihenfolge durcheinander ist.
Manuelle Prüfungen sind zeitintensiv (eine mittlere Website: 20–40 Stunden), liefern aber verlässliche Ergebnisse und sind für rechtssichere Barrierefreiheit unerlässlich.
Die wichtigsten Tools im Praxischeck
WAVE ist großartig für schnelle visuelle Checks. Lighthouse läuft in Chrome DevTools und ist praktisch während der Entwicklung. axe DevTools erkennt Probleme in dynamischen JavaScript-Anwendungen. Silktide ist eine kostenpflichtige, umfassende Monitoring-Lösung. Ergänzend: Contrast Checker-Tools (WebAIM, Coolors) für Farbtests und NVDA/VoiceOver/JAWS für Screenreader-Tests.
Wo automatische Tests an ihre Grenzen stoßen
Typische Probleme
Maschinen verstehen keinen Kontext: ein vorhandener Alt-Text kann trotzdem inhaltsleer sein; CSS-gesteuerte visuelle Reihenfolge kann von der DOM-Reihenfolge abweichen; dynamische Inhalte in Single-Page-Applications werden oft nicht vollständig geprüft. Multimedia-Qualität (Untertitel, Audiodeskription) und Lesbarkeit von Texten erfordern menschliche Bewertung.
Wie du manuelle Tests systematisch durchführst
Schritte im Detail
- Tastatur-Navigation: Gesamte Seite ohne Maus bedienen, Fokus sichtbar, Tab-Reihenfolge logisch.
- Zoom-Test: 200–400% Zoom prüfen, Inhalte dürfen nicht unlesbar werden.
- Screenreader-Test: NVDA oder VoiceOver nutzen, Struktur, Links, Formulare anhören.
- Struktur-Analyse: Semantische Elemente, Überschriften-Hierarchie, Accessibility Tree prüfen.
- Formular-Check: Labels, Fehlerbehandlung, Fokus-Management und verständliche Fehlermeldungen.
- Kontrast-Prüfung: Kontrastverhältnisse mit Tools messen (4.5:1 für normalen Text).
- Content-Prüfung: Verständlichkeit, Abkürzungen, link-context (kein „hier klicken“).
- Multimedia-Check: Untertitel, Transkripte, Audiodeskriptionen prüfen.
- Dokumentation: Screenshots, WCAG-Referenz, Schweregrad und Lösungsvorschläge.
Die optimale Kombination: Automatisch plus manuell
Empfohlener Workflow
Phase 1: Automatischer Schnelltest (WAVE/Lighthouse) — Low-hanging fruits sofort beheben.
Phase 2: Automatisches Monitoring (z. B. Silktide, axe Monitor) für laufende Kontrolle.
Phase 3: Schwerpunkt-Analyse: Identifiziere kritische Bereiche für manuelle Prüfungen (Formulare, Checkout, Buchungsprozesse).
Phase 4: Manuelle Tiefenprüfung und User-Testing mit Betroffenen.
Phase 5: Iteratives Verbessern, Tracking via Jira/Trello und regelmäßige Reviews.
Häufige Fehler vermeiden und rechtlich auf der sicheren Seite sein
Rechtliches und Dokumentation
Häufige Fehler: Nur automatische Tests nutzen; Alt-Texte ohne Sinn; nur die Startseite prüfen; ARIA statt semantischem HTML; Kontraste nach Augenmaß; fehlende Fehlerbehandlung in Formularen; Videos ohne Untertitel.
Das BFSG verlangt in vielen Fällen WCAG 2.1 Level AA. Automatische Testergebnisse allein bieten keine rechtliche Absicherung. Führe eine Barrierefreiheitserklärung, dokumentiere bekannte Probleme und Maßnahmen und priorisiere Nachbesserungen.
FAQ – Die wichtigsten Fragen zur Barrierefreiheit-Prüfung
Welche Tools sind am besten für automatische Barrierefreiheit-Tests?
WAVE ist ideal für visuelle Checks, Lighthouse für Entwicklung/Monitoring und axe DevTools für tiefergehende Analysen — besonders bei JavaScript-lastigen Seiten. Für professionelles Monitoring ist Silktide empfehlenswert.
Wie oft sollte ich meine Website auf Barrierefreiheit prüfen?
Bei statischen Seiten reicht ein Audit jährlich plus monatliches automatisches Monitoring. Bei häufigen Updates: automatische Tests wöchentlich, manuelle Spot-Checks quartalsweise. Bei Relaunches immer vorher intensiv prüfen.
Kann ich Barrierefreiheit komplett automatisch prüfen?
Nein. Automatische Checker finden nur etwa 30–50% der Probleme. Kontext, Semantik, Verständlichkeit und Screenreader-Usability erfordern menschliche Bewertung.
Was kostet ein professionelles Barrierefreiheit-Audit?
Kleine Websites ab ~2.000€, mittlere 5.000–8.000€, komplexe Anwendungen 10.000€+. Schnelltests ab ~500€ decken nur Basics ab. Umfang, Seitenzahl und Komplexität bestimmen den Preis.
Muss ich wirklich mit Screenreader testen?
Ja. Screenreader-Tests (NVDA, VoiceOver, JAWS) zeigen Probleme, die Tools nicht finden — z. B. Lesereihenfolge, fehlende Beschreibungen oder nicht vorgelesene Fehlermeldungen.
Welche WCAG-Stufe muss ich erfüllen – A, AA oder AAA?
Für die meisten Websites ist WCAG 2.1 Level AA der Standard und in vielen rechtlichen Vorgaben gefordert. Level AAA ist sehr ambitioniert und selten verpflichtend.
Gibt es eine Checkliste für manuelle Barrierefreiheit-Tests?
Ja — die WCAG selbst ist die umfassende Checkliste. Für den Praxisstart: Tastatur-Navigation, Screenreader-Tests, Formulare, Kontrast, semantische Struktur, Alt-Texte, Multimedia-Untertitel und Dokumentation prüfen.
Wie lange dauert eine manuelle Barrierefreiheit-Prüfung?
Rechne mit 1–2 Stunden pro Seite für gründliche Prüfung. Kleine Sites: 2–3 Tage. Mittlere Sites: 1–2 Wochen. Große Anwendungen: mehrere Wochen. Repräsentanten statt jeder Seite prüfen spart Zeit.
Welche Rolle spielt ARIA für Barrierefreiheit?
ARIA erweitert Semantik für dynamische Widgets, darf aber HTML nicht ersetzen. Nutze semantisches HTML, wo möglich; ARIA nur dort, wo HTML nicht ausreicht, und korrekt nach Spec.
Sind PDF-Dokumente auch relevant für Barrierefreiheit?
Ja. PDFs müssen getaggt sein, korrekte Lesereihenfolge, Alt-Texte für Bilder und strukturierte Tabellen. Alternativ eine HTML-Version anbieten oder professionelle barrierefreie PDF-Erstellung nutzen.
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